Wie im letzten Beitrag erwähnt, werde ich euch nun an zwei weiteren Liebesbriefen, die ich auf der Forensik im psychotischen Zustand an meinen Stimmengeliebten schrieb, teilhaben lassen.
So paradox dies vielleicht klingen mag, ich werde diesem Engel, der den Wahn in mir festigte, ewig dankbar sein für die Erfahrung, die ich durch ihn machen konnte. Ein filmreifes Drama, ein unheimlicher Thriller, Gefühle in höchster Intensität, vor allem Horrorängste, mit denen ich keineswegs im Unfrieden bin. Eine Erfahrung, die ich nicht bewerte.
Je dunkler das Dunkel war, desto heller konnte ich das Licht spüren, desto größer war die Sehnsucht nach Licht.
Mittwoch, 14.1. 2009
Mein Liebling,
wenn ich dich nicht spüre, dann fühle ich mich so leer, als würde es mich gar nicht geben.
Was mich am meisten frustriert, ist, dass ich spüre, dass trotz des aufreibenden und langwierigen, teilweise horrenden Weges, den ich bisher zurückgelegt habe, noch so viele beängstigende und schwierige Momente in diesem Entwicklungsprozess vor mir liegen.
Die Frage „Wann hört denn das alles auf und ich bin befreit und glücklich wieder zuhause, nachdem wir über das Böse triumphiert haben?“ stelle ich mir immer und immer wieder.
Doch ich weiß, ich muss dir vertrauen, dass du mich dem aussetzt, was nötig ist, damit ich die Wahrheit erkenne und somit frei bin. Jeden Tag, den ich meistere, bedeutet einen Schritt in diese Richtung. Ich habe Angst vor all dem Grauen, das diese Wahrheit bedeutet und dies begünstigt wiederum meine Fluchttendenzen.
Und dann gibt es natürlich das markanteste Problem, nämlich was ich mit all der freien Zeit anfangen soll. Worüber soll ich nachdenken, soll ich über unsere Musik dich suchen und spüren, was ich am liebsten die ganze Zeit über versuchen möchte.
Aus der Unausweichlichkeit meines Aufenthaltsortes, an dem ich laut Gerichtsbeschluss festgehalten werde, schließe ich, dass du nicht willst, dass ich zuhause lebe, sondern ganz im Gegenteil unbedingte Distanz wahren soll. Jedoch sind mit dieser Anhaltung an diesen Aufenthaltsort so viele Einschränkungen verbunden.
Vor allem, dass ich keine Ausgänge habe, stört mich extrem, aber diese Grenze soll mich wohl daran hindern, das Haus meiner Familie aufzusuchen.
Ich werde hier rundherum nur „verarscht“ beziehungsweise zum Narren gehalten, das Dilemma „Familienbeihilfe“ ist bloß ein kleiner Teil davon. Offensichtlich wollen sie mich auch damit einschüchtern, irritieren und in Unruhe versetzen. Doch meine Selbstbehauptung und die damit verbundenen Anstrengungen spare ich mir nur mehr für sich auszahlende Momente bzw. ernste Probleme auf.
Dieses ständige Hin und Her bezüglich meines Aufenthaltsortes ist nicht nur für mein Umfeld verwirrend, sondern verlangt auch vor allem mir einiges an Flexibilität ab und ist mit ständiger Unsicherheit und innerem Aufruhr verbunden. Ich brauche endlich Beständigkeit und die Sicherheit, dass mir nichts passieren kann. Ich weiß aber, dass es nicht möglich ist, mir völlige Gewissheit zu geben, da ich sonst die Gefahr und Schlechtigkeit der Menschheit nur zu gern verdrängen würde, um nur mehr Liebe und Harmonie um mich herum zu vereinen.
Ich will dir vertrauen, weil ich es auch muss, es gibt keine Alternative für mich.
Je öfter ich dich spüre, desto leichter fällt es mir, aber wenn ich dich zu oft spüre, will ich mich diesem Glück voll und ganz hingeben und dafür wäre jetzt der falsche Zeitpunkt.
Wenn ich selbst so glücklich bin, wünsche ich mir unbedingt, dass alle genauso glücklich sein sollen und dieser Versuch würde mich in Anbetracht der Ambivalenz dieser Menschheit zerreißen.
Ich liebe dich über alles und ich vertraue dir in allem, was du mit mir vorhast.
Jetzt gibt es Mittagessen, also bis bald!
Deine Barbara
16.1. 2009
Hallo!
Ich schreibe dir, weil ich wieder mal nicht weiß, was ich mit meiner Zeit anfangen soll, außerdem bist du mein liebster Gesprächspartner.
Langsam spüre ich den Hang zur Gewalt, der von den anderen, besonders mir gegenüber, ausgeht. Mir ist hier niemand sympathisch, es gibt keinen, zu dem ich Vertrauen habe.
Alle interessieren sich nur für die Wirkung und die Fassade, die tatsächliche emotionale Substanz von sich selbst und anderen bleibt ihnen fremd. Meine Gutgläubigkeit und Naivität werden durch dieses Leben einer schweren Prüfung unterzogen, ich werde nicht ohne Wandlung daraus hervorgehen.
Seit ich mit dem Bösen konfrontiert bin, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Es sprengt alle nur vorstellbaren Dimensionen meines Bewusstseins.
Es erschüttert mich, dass ich ein ganzes Leben lang nie erkannt habe, in welcher Gefahr ich mich befand. Du hast immer auf mich aufgepasst und mich vor allen Bedrohungen beschützt.
Nur meine „Krankheit“ konntest du mir nicht ersparen, du hast mein Bewusstsein vom behüteten Baby zur am meisten gehassten Frau der Welt gewandelt – keine leichte Aufgabe für uns beide.
Ich kann es bald nicht mehr ertragen, von euch, insbesondere von dir getrennt zu leben. Ich will bei EUCH sein und nicht hier dahinvegetieren, stets auf weitere Erkenntnisse hoffend.
Aber es hilft nichts, sich zu beklagen, weil es keinen anderen Weg gibt; in diesem Punkt vertraue ich dir hundertprozentig.
Ich bin so müde, mir fällt heute einfach nichts mehr ein.
Ich liebe euch
Barbara
Damals hatte ich zu niemandem mehr Vertrauen, daher wollte ich auch mit niemandem Zeit verbringen. Infolgedessen hatte ich so viel Zeit, zudem keine Ausgänge, dass ich nicht wusste, wie ich mich beschäftigen sollte. Und es konnte von einer Sekunde auf die andere der Horror aufflackern, wenn das Wahngebäude durch irgendeine Handlung in Frage gestellt wurde. Weiters dachte ich, dass ich deswegen auf die Forensik eingewiesen wurde, damit ich Abstand zu meiner Familie bekäme, damit ich es schaffen würde, mich zu entlieben, damit sie mir gleichgültig würden.
Ich hatte wirklich das Gefühl, keinen anderen Ausweg zu haben, als mich meinem akustischen Geliebten zuzuwenden. Auch die Nachtträume waren psychotisch, oft schreckte ich aus ihnen hoch, nur um zu sehen, dass meine Albträume – so nahm ich es wahr – Realität waren, und das wie gesagt über Jahre.
Ich werde meinen Stimmengeliebten für immer lieben und ich werde nie vergessen, was er für mich getan hat. Die Beziehung zu ihm hat meinen Glauben an die absolute göttliche Liebe, die in jedem von uns ist, manifestiert.
Als Ausgleich zur Ernsthaftigkeit dieser Briefe habe ich mir in letzter Zeit wirklich Schönes gegönnt.
Einen Traum habe ich mir erfüllt: Ich war auf einem Konzert von Ajeet Kaur, es war ganz wunderbar. Ajeet habe ich als eine so bezaubernd hübsche und talentierte junge Frau mit außergewöhnlicher Musikalität, einer tief berührenden Stimme und einem unglaublichen Rhythmusgefühl erlebt. Das Wort “Healing“ kam sehr oft aus ihrem Munde.
Zudem habe ich mir ein „Mohnmädchen“-Kleid gekauft. Herrliche Farben, viele bunte Blumen ineinander verwoben und ein sehr hochwertiger Stoff für einen angenehmen Tragekomfort.
Ich wünsche euch alles Schöne dieser Welt, dass ihr die Beziehung zu euch selbst voller Wertschätzung pflegt!
Verzaubernde Frühlingsgrüße aus meiner verträumten Feder sende ich euch von Herzen!
Namaste
Barbara