In deinem Herzen
taste ich mich voran,
ich hüpfe, ich springe, ich jubiliere
vor lauter Freude und Ekstase,
dich zu kennen.
In meinem Herzen
sind zärtliche Spuren der Erinnerung,
Spuren wie verblasste Kristallsterne,
wie ergraute Blütensonnen eines Löwenzahns,
wie vergrabener Samenstaub in der Erde –
warum weiß ich das noch,
aber jenes nicht mehr?
Weil mein Herz wählt,
es ist Festplatte und Quelle
für mein Gedächtnis.
Es geht auf Spurensuche,
will die verstreuten Blütenengel das Fliegen lehren,
will die durchsichtigen Kristallflocken
mit Farbe faszinieren und liebkosen
und den Baum mentaler Lebenskraft
erwecken und zum Wachsen ermutigen.
Mein Herz lässt
lichtrauschende Klarheit
in scheinbar entschwundene
geistige Sternenhelligkeit,
in ausgestorbene Abenteuerfantasie
fließen und strömen,
deren Spuren im Unterbewusstsein
energetisch lebendig sind.
Nach welchen Kriterien
wählt mein Herz?
Warum ist es so wählerisch?
In deinem Herzen
taste ich mich voran,
es ist ein einziges
Sich-Herantasten aneinander
in Vorsicht, in Neugierde und Mut,
denn ich kenne dich nicht,
obwohl die Spuren
der augenblicklich
unabrufbaren, vermissten Erinnerungen
unserer abgöttisch geliebten Liebe
in meinem Herzen
hüpfen, springen und jubilieren
vor lauter Freude und Ekstase,
dass es dich gibt,
dass ich dich kenne.
Meine Oma hatte Demenz, sie starb im Jahr 2013. Woran ich mich dabei noch am meisten erinnere, ist ihre Isolation. Wie sehr wir uns auch um sie bemühten, sie wurde immer einsamer, zumal sie sprachlos war, das heißt, sie kannte kaum mehr Wörter, konnte sich nicht mehr ausdrücken. Sie wurde sehr hilflos und unsicher, was auch ihre körperliche Kraftlosigkeit beschleunigte, zuletzt war sie sehr pflegebedürftig.
Sie spürte so unendlich viel und war extrem sensibel.
Das alles hat mich so berührt, dass ich Jahre später im Altersheim ehrenamtlich zu arbeiten begann. Ich besuchte unter anderem einen neunzig-jährigen Herren, der auch an Demenz erkrankt war. Ich fuhr ihn im Rollstuhl spazieren, wir fuhren auch in ein Café in der Nähe. Häufig nahm ich ihm kleine Geschenke mit. Eines Tages nahm er meine Hand, küsste sie und sagte: „Danke.“ Daran werde ich mich ewig erinnern. Kurz darauf starb auch er.
Für Demenzkranke ist es meistens so, dass sie die Welt wieder neu entdecken, nachdem sie vieles oder sogar alles von ihr vergessen haben. Diesen Prozess der Neuerkennung wollte ich mit meinen Besuchen inspirieren. Jeder ist wertvoll. Jeder bringt eine andere Welt mit. Und kann damit farbiges Licht ins Dunkle der Unsicherheit bringen.
Was die Atmosphäre in den Altenheimen betrifft, es ist so wie in den Krankenhäusern eine andere Welt. Viele Bewohner sind unfassbar einsam und bekommen kaum oder sogar nie Besuch. Wurden zum Sterben zurückgelassen.
Unbestritten und allgemein bekannt ist, dass das Personal in den Altenheimen oft unterbesetzt ist und dass die Bediensteten außerdem Übermenschliches leisten müssen. Diese Situation ist die Brutstätte für Übergriffe und für eine Behandlung außerhalb von Würde und menschlicher Wärme.
Ähnlich wie als Kleinkind ist ein Bewohner, wenn er zum Beispiel nicht mehr selbstständig seine Körperpflege erledigen kann, dem Wohlwollen, der Belastbarkeit und der Integrität anderer ausgeliefert. Einfach anderen Menschen zur Gänze schutzlos preisgegeben.
Ich hab‘ das schon des Öfteren beobachtet, sobald ein Mensch dann nur mehr im Bett lag, ging es körperlich und geistig steil bergab.
Altenheime können genauso sterile Institutionen wie Krankenhäuser sein, in denen Angestellte abstumpfen und ausbrennen. Medikamente werden des Weiteren mitunter auf verantwortungslose, gleichgültige Weise verschrieben, dosiert und verabreicht.
Auch wenn mich das alles noch so schockiert hat und die Todesfälle emotional sehr bewegend waren, weiß ich, dass Sterben für die Betroffenen etwas Schönes ist. Sie gehen zurück in diesen Alleins-Zustand, werden rückverwandelt in pure Liebesessenz. Sie sind zudem wieder im Besitz all ihrer Fähigkeiten, haben keine Schmerzen mehr, wissen, dass alles gut und richtig war, … kurzum sie sind in reinem Frieden mit allem. Für die Hinterbliebenen ist es eben schmerzhaft, weil es ein Abschied ist, trotzdem man für immer verbunden ist.
In diesem Sinne möchte ich mich sehr herzlich von meinem ehemaligen Lateinlehrer verabschieden, der kürzlich im Alter von 85 Jahren verstorben ist.
Optimum ac tincidunt tempus!
Obwohl ich keine Demenz habe, entdecke ich die Welt auch gerade neu. Da ich die letzten zwei Jahrzehnte in meiner Traumwelt verbracht habe, weiß ich kaum etwas über diese Welt, in der wir leben, ich hab so viel nicht mitbekommen.
Eine liebe Freundin hilft mir, mich zu reorientieren. Gestern waren wir wandern im Mirellental bei Gallneukirchen und ich lernte die Natur durch ihre Augen wieder neu kennen und schätzen. Die Pflanzen, die Tiere, die Bäche – alles erstrahlte im Glanz neuer Eindrücke und des Sich-Erinnerns. Der Traum der Dazugehörigkeit, des Teil-Seins der Natur wurde auf hingebungsvolle, achtsame Art und Weise wahr. In Wundern spürt mein Herz (auf) …
Ich möchte euch erneut dazu anregen:
„Lasst die Welt auf euch wirken und glaubt an den seelischen Jungbrunnen in euch!“
Alles Liebe und Gute!
Namaste
Barbara
2 Antworten zu “Demenz – in Wundern spürt mein Herz (auf) …”
Ein sehr berührender Text!
Danke!
Das Buch,der alte König in seinem Exil ist ein wunderschönes Buch zum Thema Demenz!
😉bis bald
Hallo liebe Manuela, das klingt interessant. Danke für das Buch über Wunscherfüllung, das ich von dir geschenkt bekam, ich freu mich total drüber.
Alles Liebe,
Barbara