Wenn man sich derartig exponiert, wie ich es mit diesem Blog regelmäßig zu tun pflege, darf man sich zwangsläufig eine dickere Haut zulegen, denn ich spüre so viele verschiedene Reaktionen. Heute möchte ich über etwas schreiben, das mir schon seit Längerem sauer aufstößt.
Wenn ein Mensch in seinem Leben, vor allem in der Kindheit Traumen erlebt, kann es zu einer seelischen Erkrankung kommen. In all den Jahren, in denen ich auf der Psychiatrie stationär war, habe ich niemanden kennengelernt, der nicht irgendeine sehr traumatische, schwerwiegende Erfahrung gemacht hatte. Sexueller Missbrauch, emotionaler Missbrauch, Gewalterlebnisse in den unterschiedlichsten Formen, fanden sich meistens in den Biografien der Patienten. Dabei gilt für mich die Einschätzung für die Ursachen einer psychiatrischen Erkrankung:
Zu einem Drittel hat meine Ursprungsfamilie, zu einem Drittel hat die Gesellschaft und zu einem Drittel habe ich selbst darauf Einfluss genommen. Solange ein Kind zumindest eine erwachsene Bezugsperson in der Familie hat, die es bedingungslos liebt, hat es die Chance seine Traumata zu überwinden – obwohl das auch individuell ist – das weiß man aus der Psychologie – wenn das Kind niemanden hat und die Hoffnungslosigkeit und der Schmerz nicht mehr kompensierbar sind – kann es zu einem erheblichen seelischen Ungleichgewicht kommen.
Dabei ist es aus meiner Sicht nicht empathisch und sinnvoll, zu sagen: „So etwas wie Trauer und Schmerz kennt jeder einmal.“, denn es gibt definitiv unterschiedliche Ausmaße und Abstufungen von Gefühlen. Auch von der Angst. Was will einem jemand mit einem solchen Satz sagen? „Du dürftest die Krankheit nicht haben, du übertreibst, du hast sie selbst produziert, du bist selbst daran schuld.“? Was per se schon krank ist. Manche halten es nicht aus, dass es psychische Auffälligkeiten überhaupt gibt, haben vielleicht Angst vor den eigenen diesbezüglichen Anteilen in sich selbst. Vergleiche sind meiner Ansicht nach borniert und nicht hilfreich, jeder ist individuell, fühlt und reagiert anders. Ich hab‘ schon so viele verschiedene Reaktionen von anderen auf mein Leiden erlebt, von Überheblichkeit und Gleichgültigkeit über Sensationsgier und Schadenfreude über depressivem Mitleiden bis hin zur Konkurrenz darum, wer mehr leidet. Es gibt nichts, was es nicht geben würde, auch in diesem Bereich. Außerdem bin ich kein Fan von Krankenbesuchen, da das tatsächlich so selten ist, dass man wahres Mitgefühl und Liebe bekommt. Manche gehen sogar so weit, in Frage zu stellen, dass dies, was man durchgemacht hat, überhaupt schwierig und schmerzhaft war, stellen alles als Lappalie hin, wollen vielleicht selbst als die Allerärmsten gelten, das ist etwas, was ich nicht möchte.
Was mir wirklich sehr bedenklich erscheint, ist, wenn die Glaubwürdigkeit eines psychiatrischen Patienten automatisch herabgesetzt wird, ohne dass man sich mit dem Gesagten beschäftigt hat. Teilweise herrscht noch immer das Vorurteil in unserer Gesellschaft, dass ein psychisch kranker Mensch dumm sei, dass er sich Dinge – insbesondere, wenn sie anderen nicht ins Konzept passen – einbilden würde und dass er einfach spinnen würde. Diese Anschauung ist die eigentliche Dummheit und Primitivität an sich. Feinfühlende Menschen haben meist ein instinktives Gespür und urteilen nicht blindlings, scheren nicht alles über einen Kamm. Meiner Erfahrung nach wissen Menschen mit psychischen Auffälligkeiten oft mehr als andere, weil sie die Psychiatrien erlebt und das Leben in seiner Tiefe kennengelernt haben. Des Öfteren werden Menschen, wenn sie von Traumen wie Mobbing oder Missbrauch erzählen, nicht ernstgenommen. Erst wenn eine andere Person, die keine Diagnose hat, dies bestätigt, setzt man sich in der Regel damit auseinander – ein verheerender Missstand. Nicht jeder hat jemanden, der dies anderen belegt, ganz zu schweigen von der Verletzung dem Patienten gegenüber. Nur weil ich in meinem Leben die Erfahrung der Psychose gemacht habe, heißt das nicht, dass ich nicht klar denken kann. Mein Verstand besitzt neben einer feinen Wahrnehmung, Fantasie und der Fähigkeit zu träumen, auch die Gaben der Klarheit, der Genauigkeit, der Struktur und der Querverbindungen. Dies zeigt sich ebenso darin, dass ich in der Elaboration meiner literarischen Tätigkeit begabt bin, zudem mit Rechtschreibung und Grammatik nie ein Problem hatte. Wenn ich eine Psychose verlassen habe, ist die Welt wieder glasklar verständlich für mich, ich erkenne Zusammenhänge deutlich und mit messerscharfem Verstand, kann Erkenntnisse gewinnen und mich sortieren, zerlegen, analysieren.

Und selbst wenn ein Mensch in der Psychose ist, ist nicht alles, was er sagt, zwangsläufig verfälscht. Eigentlich ist gar nichts „falsch“, ich zum Beispiel habe in den Psychosen frühere Leben verarbeitet, mir wurden die Gefühle von Erfahrungen aus früheren Inkarnationen zugänglich. Es hatte alles eine Bedeutung, die ich jetzt zuordnen kann. Es ist alles andere als achtsam und tolerant, einem Menschen, der eine Psychose hat, an den Kopf zu werfen, er würde sich alles einbilden. Fingerspitzen- und Taktgefühl, Respekt vor seinem Erleben und dass es für ihn wirklich so ist, sind hier gefragt. Eine Psychose besitzt sehr viel Wahrheit, Erkenntnis und Weisheit und hat ihre eigene Logik. Man transformiert sich in Psychosen. Jeder Mensch sieht die Welt durch eine subjektive Wahrnehmung, auch angeblich „Gesunde“. Häufig bin ich auf Menschen gestoßen, die diese „Mir kann keiner was vormachen“-Haltung, wie ich sie nennen möchte, aufwiesen. „Mir kann keiner was vormachen, ich weiß alles besser. Ich kann mich nicht irren, ich weiß alles.“, ist die anmaßende, selbstherrliche Devise vieler Menschen, besonders in meiner Verwandtschaft und in den Institutionen. Aber sie wissen noch nicht einmal ein Tausendstel von dem, was mir passiert ist und was ich erlebt habe, zumal sie sich auch nie dafür interessiert haben. Diese Arroganz weist zumeist auf einen ganz kleinen Selbstwert hin.
In Naturvölkern werden vielmehr die übersinnliche Begabung und Weisheit von psychischen Besonderheiten hervorgehoben, Medikamente wie bei uns, werden dort nicht verabreicht. Wohingegen in unserer Gesellschaft im Besonderen der Mangel einer solchen Person betont wird. Wenn man dann als psychisch ungewöhnlicher Mensch in einer solchen Gesellschaft sozialisiert wird und daran glaubt, dass man schwach und unmündig sei, bekommt man meistens erst recht gröbere Probleme und erlebt Hospitalisierungen. Unsere Gesellschaft bringt im Kollektiv psychische Besonderheiten hervor. Wir sind alle verbunden, man kann nichts, rein gar nichts vom Kollektiv abkoppeln. Die Einstellung und Sichtweise in Bezug auf die eigene Situation spielen eine bedeutsame Rolle hinsichtlich des eigenen seelischen Gleichgewichts. Sätze wie: „Ich werde immer Medikamente brauchen.“ oder „Die Krankheit habe ich ein Leben lang.“, manifestieren sich in Körper, Geist und Seele. Und außerdem, was ist „gesund“ und was ist „krank“? das ist sehr relativ und fließt ineinander. Ist ein Mensch, der in Hassattacken auf andere losgeht, jedoch arbeiten geht, gesünder als einer, der zwar eine Diagnose hat, sich aber seiner bewusst ist und positive Gefühle kultiviert? Öfters wird es so gesehen, dass solange jemand arbeiten gehen kann und funktionieren kann, gesund ist. Ich sehe das nicht so.
Auch bezüglich der Frage: Was ist Realität und was ist Illusion? Ist ein Mensch, der sich materiellen Dingen zuwendet, wie Hausbau, Autokauf, Besitz anhäufen, Ansehen genießen, … mehr in der Realität, als einer, der sich seinen Fantasien zuwendet und gerne träumt? Träume werden ja oft als Schäume verspottet, dabei sind sie die Realität, aus dem das Himmelszelt geschaffen ist.
„Sammelt euch nicht Schätze hier auf dieser Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel.“, hat Jesus einst gesagt.
„Wenn du etwas besitzt, das du nicht weggeben kannst, besitzt du es nicht – sondern es besitzt dich!“ (Jim Elliot)
Welchen Dingen wollen wir in unserem Leben welchen Stellenwert geben? Schätze im Himmel kommen nun mal aus dem Geist, aus der Seele. Es gehört einem wirklich nichts auf dieser Welt, man kann sich nichts mitnehmen. Man wird eines Tages alles zurücklassen müssen.
Also, wenn Menschen andere entwerten, entmündigen, entwürdigen oder belächeln aufgrund deren psychischer Situation, haben sie meiner Wahrnehmung nach meistens selbst wenig bis kaum Zugang zu einem höheren Bewusstsein und zu emotionaler Intelligenz, auch wenn sie sich mit beruflichem Erfolg und einem hohen IQ brüsten. Meiner Beobachtung nach haben Menschen mit sehr hohem IQ im Schnitt einen kleineren EQ.
Wenn ich anderen von dem Mobbing in der Schulzeit erzählte, deutete man dies oft als Verfolgungswahn, obwohl ich wie gesagt, wenn ich die Psychose verlassen habe, ganz klar unterscheiden konnte und kann, zwischen den Dingen, die in diesem Leben wirklich passiert sind und Inhalten aus der Psychose.
Nicht alle reagierten derart verständnislos, es gab Menschen, die mehr Einfühlung, Offenheit und Intuition besaßen. Wenn jetzt ein Lehrer von damals käme und meine Erkenntnisse bestätigen würde, wären sie dann auf einmal mehr (oder weniger) WAHR, nur weil dieser arbeiten geht und keine Diagnose hat? „Was ist es in uns, das die Wahrheit sucht? Ist es unser Herz oder unser Verstand? (aus dem Film „Die Jury“ 1996). Ich spüre auch, dass Menschen denken, dass ich mich mit der Vergangenheit nicht mehr so viel beschäftigen sollte, damit abschließen sollte. Vergebung darf ein individueller Prozess sein und soll nicht bewertet werden. Denn das Problem hierbei ist, dass nie etwas ausgesprochen wurde. Dass so viele Lehrer über so lange Zeit ein offenes Ohr für die manipulativen Verleumdungen gegen mich hatten, nicht vorsichtiger damit umgingen. Dass niemand mich je nach meiner Sichtweise fragte. Dass ich davon, was sich hinter meinem Rücken abgespielt hatte, so lange nichts wusste. Dass man dieser unseriösen Verhaltensweise keinen Riegel vorschob. Zuhause wurde ich auch nur angefeindet, ich konnte über meine Hilflosigkeit mit niemandem reden, nur mit Freundinnen. Man hätte mich mit dieser Hetze ins KZ oder auf den Scheiterhaufen gebracht, wenn die Zeit danach gewesen wäre, da mach ich mir keine Illusionen.
Dennoch liebe ich alle Menschen, auch jene, die mich kritisieren oder mir schaden wollen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich meinen Weg so gehen konnte, wie ich ihn gegangen bin. Es geht für mich nicht um Gut und Böse. Und trotzdem: Es gibt ein Verhalten, das dem dienlich ist, wer wir in Wirklichkeit sind, nämlich dieses Licht und diese Liebe und es gibt ein Verhalten, was dem Göttlichen in uns nicht dienlich ist. Das möchte ich ins Bewusstsein rufen. Eventuell hingegen darf ich einfach akzeptieren, wie die Dinge geschehen und den Fluss fließen lassen. Meine Entscheidung, den Kontakt zu meiner Ursprungsfamilie abzubrechen ist nicht ein Symptom meiner „Krankheit“, sondern der Wille zur Gesundheit, die Weigerung, mich weiterhin runterziehen zu lassen.
Ich möchte hiermit allen Menschen auf dieser Welt gedenken, die traumatische Erfahrungen gemacht haben und denen nicht geglaubt wurde, da sie durch jene Erfahrungen ins seelische Ungleichgewicht kamen. Da zeigt sich das gesamte Paradoxon menschlicher Ungerechtigkeit. Nichtsdestotrotz sind auch diese Menschen keine Opfer, sondern Mitschöpfer ihrer Erfahrungen.
Ich wünsche uns allen den inneren Frieden, weg vom Opfer-Täter-Bewusstsein, weg von Schuld und Strafe hin zum vogelfreien Flug in unsere Meisterschaft, zum Siegeszug über die Herausforderungen der Dualität. Wir dürfen uns ruhig trauen, weniger misstrauisch zu sein und mehr zu glauben! Insbesondere jenen, die verunglimpft werden, die haben manchmal mehr an sich gearbeitet als andere.
Ich liebe alle Menschen und wünsche ihnen alles Glück dieses Universums!
Lichtvolle Herzensgrüße!
Namaste
Barbara
4 Antworten zu “Plädoyer für die Glaubwürdigkeit eines psychiatrischen Patienten”
Liebe Barbara! Ich hatte Gänsehaut beim Lesen deiner Worte und Tränen in den Augen!
Danke für diesen Beitrag!! Ich finde mich wieder darin.
Liebe Conny, dank dir für die Rückmeldung. Ich möchte mit diesem Beitrag berühren und aufrütteln und positive Energie senden. Meine Vision für ein neues lichtvolles Zeitalter vermitteln.
Schöne Sonnenlichtgrüße und alles Liebe und Gute!
Barbara
Liebste Barbara,
dein Artikel ist genial, wahr und wirklich.
Du hast mehrere Facetten aufgezählt, welche Menschen dazu veranlassen, dass sie so reagieren wie du es berichtest.
Wenig Selbstwert und einen schwach ausgepägten EQ führen wohl die Liste der Unzulänglichkeiten an.
Du bist eine zauberhafze, wissende junge Frau.
Deine Erfahrungen und dein Studium der Erfahrungen und Ereignisse
deines Lebens haben deine Geisteshaltung und Herzensbildung perfekt gemacht. Du gehst deinen Weg.
Einen Weg den vor dir noch niemand gegangen ist und niemals gehen wird: Denn Barbara es ist DEIN WEG. … und der ist gut….
Herzensliebe Grüße mit segnenden Umarmungen.
Namaste´, schöne Seele.
M.M.
Liebe Monika-Maria, danke dir vielmals für dein Lob und deine anerkennenden Worte. Ich hab so viel Arbeit in diesen Beitrag gesteckt, es freut mich umso mehr, wenn er bewegt und der Funke überspringt. Auch deine Worte verfehlen ihre Wirkung wirklich nie. Ich schätze deine sprachliche liebevolle Fantasie, dein gefühlvolles Bemühen und deine Ausdrucksstärke, dein Erkennen und das gerechtigkeitsliebende „Auf den Punkt Bringen“.
Namaste, meine wundersame Freundin,
Deine Barbara