My tragically funny parallel universe in “Mermaids”


Eine Rolle, in die ich als Schauspielerin und innerlich jugendliche Frau immer wieder gerne hineinschlüpfe, ist die Rolle der Charlotte (Winona Ryder) im Film „Meerjungfrauen küssen besser“ (im Originaltitel: “Mermaids“) von Richard Benjamin aus dem Jahr 1990. Man hört im Film mehrmals die Welt der Gedankengänge von Charlotte, diese Welt ist wie ein unübersehbares Abziehbild meiner eigenen pubertären Empfindungsachterbahn.

Sie ist ein Teenager und verliebt sich in den Schulbusfahrer Joe, der in einem Nonnenkloster lebt. Um den verrückten Launen ihrer Mutter zu entkommen, beschäftigt Charlotte sich schon lange auf sehr intensive und konservative Weise mit dem christlichen Glauben, will selbst Nonne werden. Zwar will sie keusch leben, doch ihre Verliebtheit lässt sie ein Date mit Joe vereinbaren. Schließlich sitzen sie im Auto und fahren fischen, Joe trinkt aus einer Flasche und reicht sie hinüber zu Charlotte, woraufhin man ihre schmachtenden Gedanken hört: „Jetzt berühren meine Lippen seine …“.

Diese Szene finde ich so lieb, ich kann mich da beim Nachspielen richtig reinsteigern, zumal ich diese anhimmelnden Gefühle aus eigener Erfahrung so gut kenne.

Als es zu einem Kuss zwischen ihr und Joe kommt, hat sie ein furchtbar schlechtes Gewissen deswegen und beginnt zu fasten, um Abbitte zu leisten.

Wieder hört der Zuseher ihre Gedanken, als sie im Bett liegt und ein religiöses Buch liest: „Die Sünden der Heiligen bleiben nie ungestraft. Johanna von Orleans wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. O.k., also was wirst du jetzt mit mir machen, Herr? Mich auspeitschen, mich verstümmeln?“

Auf einmal bekommt sie schreckliche Angst, dass sie schwanger sein könnte und wird vor ihrer Familie ohnmächtig. Im Denkkäfig von Charlotte geht die Post ab: „Maria hat Josef nicht einmal geküsst und was mit ihr passiert ist, weiß man ja.“

„Gib mir noch ne‘ Sekunde, ich versuch’s ja Mum, ich möchte es dir ja sagen …“. Auch dies bleibt eine verinnerlichte Überlegung: „Wahrscheinlich bin ich schwanger mit dem künftigen jüdischen Italo-Messias – ES IST VIELLEICHT DAS KIND DES HERRN.

Nachdem sie einen Frauenarzt aufgesucht hat, der ihr mitteilte, dass sie nicht schwanger sein könnte, da sie noch Jungfrau wäre, schießt bei Charlotte die Eingebung ein: „Es ist ja auch ziemlich albern, zu glauben, dass man von einem Kuss schwanger wird, aber woher sollte ich das wissen? Und was ist mit der Jungfrau Maria? Und sieh dir doch die Heilige Perpetua an, die wurde mit ihrer Sklavin hingerichtet, bloß weil sie drei Männer gekannt hat. Wahnsinnige Sachen passieren …“


Für mich ist es so süß und entzückend, dass Wahnvorstellungen hier nicht als wunderlich oder krank dargestellt werden, sondern mit einem pfiffigen Schuss Humor und einer lustig leichten und  natürlichen Herzenswärme und einer einmaligen Einfallsbreite vermittelt werden. Bei vielen Szenen muss ich herzhaft lachen, so kitschig originell und urig sind sie.

Allerdings sind dies sicherlich Wahnvorstellungen, die wirklich sehr herausfordernd sind, wenn man das alles tatsächlich glaubt, geht es einem sehr schlecht.

In einem Buch über Schizophrenie hab ich gelesen, dass religiös motiviertes Wahngeschehen immer mehr zunimmt, während die Religiosität der Menschen im Allgemeinen sinkt.

Ich zum Beispiel dachte, ich wäre in früheren Leben Maria Magdalena, die Heilige Barbara, Venus, Helena von Troja, Minerva, … gewesen. So ausschweifend hatte ich mich mit Filmen, der griechischen Mythologie und ein wenig auch mit Religion beschäftigt.

Aber warum gerade diese extreme Perfektion des Charakters und des Aussehens? Freilich war ich sehr beeinflusst von der Medienwelt, das darf man wirklich nicht unterschätzen. Ich wollte nicht die sein, die ich war, meine Selbstachtung war überaus gering, letztendlich dachte ich sogar, dass ich nur dann etwas wert wäre, wenn ich alleine Gott wäre und die Welt erschaffen hätte. Somit musste ich mich mit meinen alltäglichen Problemen meines Selbstwertes nicht mehr auseinandersetzen. Neue Probleme ließen nicht lange auf sich warten – und die waren um einiges gravierender als die vorherigen.

Hingegen empfinde ich keine Reue, diesen Weg gewählt zu haben, mein Traum war es immer, Gefühle in ihrer höchstmöglichen Intensität zu spüren und das habe ich bestimmt erlebt. Mein Leben ist wie ein Kinofilm, das zeigt sich auch in meinen Nachtträumen. Die könnte man auch verfilmen, manchmal erinnere ich mich ja an sie.

Jedoch will ich die peinigenden Ängste, die ich hatte, keineswegs blumisieren oder verharmlosen. Als ich zum ersten Mal in die Nervenklinik kam, äußerte ich gequält den Wunsch, einen Gehirnschlag zu erleiden und zu sterben, damit der Gedankenhorror im Kopf aufhören sollte. So verfolgt, gemartert und verdammt fühlte ich mich. Wenn ich an das denke, bin ich mit den Nerven fertig, total erledigt, da habe ich noch was aufzuarbeiten, was ich auf jeden Fall schaffen werde. Den größten Respekt habe ich vor psychisch kranken Menschen, die im Nazi-System ermordet wurden. Denn in der Psychose hat man oft so eine überdimensional drastische Angst, dass einem andere etwas antun und dann werden alle diese Ängste plötzlich wahr …

Durch die Reaktion der Gesellschaft und der Menschen im Krankenhaus bekam ich ein definitiv krasses Bild von meiner Situation, nicht so beschwingt romantisiert wie im Film “Mermaids“. Wie man das Ganze sieht, hat, glaube ich, viel mit Bewusstsein zu tun.

Denn seit mir klar geworden ist, dass wir alle in alle Rollen schlüpfen können durch die Reinkarnation, und wahrscheinlich auch schon geschlüpft sind, auch wenn wir jetzt keine Erinnerung daran haben, hat sich dieser Schrecken über das „Kranksein“ relativiert. Früher verband ich mit herausragenden, berühmten Seelen eine Verbundenheit und Berührungsangst zugleich. Der Schrecken nahm durch die Abwertungen, durch den Argwohn und die Skepsis der anderen hinsichtlich meiner Ideen zu. Die gesamte Denkweise, die in dieser Welt herrscht, das Bewusstsein vieler Menschen war von vornherein der Nährboden meiner Angst.

Wenn mir jemand gesagt hätte, dass dies Erinnerungen an Inkarnationen oder Visionen sein könnten, und man diese Möglichkeit nicht abstrahiert hätte, hätte vieles anders ausgesehen oder wäre gar nicht erst entstanden. Jedoch sollte es so kommen, ich mache wahrlich niemandem einen Vorwurf. Dies sind rein wertfreie Tatsachen.


Ebenso sticht bezüglich der Filmzitate, die ich ausgewählt habe, Charlottes Angst vor ihrer Weiblichkeit, ihres körperlichen und seelischen Übergangs vom Mädchen zur Frau, vor ihrer Sexualität ins Auge. Sie will dem ausschweifenden Lebensstil ihrer Mutter etwas entgegensetzen.

Als sie dennoch gegen Schluss hin ihr erstes Mal mit Joe erlebt, sieht danach alles anders aus. Ihr wird bewusst, dass sie in die Vorstellung von Joe verliebt war und findet mit ihm zu einer ehrlicheren und wahrhaftigeren Begegnung.

Sie kommen nicht zusammen, aber Charlotte kommt zu sich und findet in ihre weibliche Lebenskraft und in ihr Selbstvertrauen. Musikalisch untermalt genießt sie das Zusammensein mit ihrer Mutter und ihrer Schwester …


Ich liebe ungewöhnliche, schrill verliebte Gedankenphrasen und Phantastereien und in diesem Film komme ich wirklich auf meine Kosten. Er bietet so viel Nahrung und Streicheleinheiten fürs Schwärmen und Träumen. Ich kann mich mit meiner ganz hohen Stimmfarbe, die auftaucht, wenn ich idealisiere und von Fantasie beglückt bin, richtig austoben, andererseits eigentlich sanft und voller Mitgefühl hineinleben. Immer wenn mein Kopf so davonschwebt, weiß ich, dass ich mit meinen Gefühlen nicht im Herzen bin, sondern die Liebe mit dem Verstand zerdenke, in Vorstellungen abhebe. Das kommt mir immer sicherer und anständiger vor, als instinktiv zu reagieren.

Aber ich hab mich entschieden: Ich will mehr Aufrichtigkeit und Echtheit in meinen Gefühlen, in meinen Begegnungen, in meinen Beziehungen zu anderen Menschen. Ich kann sie ja fröhlich an meiner Fantasie teilhaben lassen, sie Gefühle und Filmszenen durch die Fühlrezeptoren meiner Wahrnehmung sehen und spüren lassen. So war ich, als ich noch jung war und im Gleichgewicht war, „noch da war“. Es geht nichts verloren, ich muss auf nichts verzichten.

Und ich komme zurück, ihr Lieben, mit einem Seiltanz zum Herzen der Welt, als Meerjungfrau und als Barbara, das weiß ich genau …

(“Dance Of Life“ von Sergey Ivanov)

Liebe Herzensgrüße,

eure Barbara

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2 Antworten zu “My tragically funny parallel universe in “Mermaids””

  1. Hallo Barbara, sehr toll geschrieben.

    Gefühlsbegabtheit und Fantasiebegabtheit reichen sich in deiner Seele die Hände. Sie sind Seelenschwestern.
    Auf den Flügeln der Fantasie schweben und die bunte, zaubehafte Welt mit intensiven Gefühlen erleben. Das nährt dein Sein und du darfst wohl erfreut darüber sein.
    Deine Welt ist allzeit schillernd bunt.
    Segen dir – bis Mittwoch.
    M.M.

    • Hallo liebe Monika Maria, wir beide lieben ganz einfach intensiv Berührendes und mich berührt dein lyrisches und literarisches Wirken, der liebevolle Glanz deiner Innenwelt sehr! Ich hoffe, dass du immer viel Freude und Erfolg bei deinem Schaffen verspürst.
      Viele liebe Grüße,
      Barbara

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