Katja war 20 Jahre alt und eine erfolglose Studentin. Ihr Leben war eine Endlosschleife von Misserfolgen, sie war das einsamste Mädchen des Studentenwohnheims, in dem sie lebte. Sie liebte es, sich schön zu kleiden und zu schminken.
Eines Tages gab es im Park der Wohnanlage ein Studentenfest. Katja entschied sich, einen knielangen schwarzen Rock und ein knallrotes, enges Shirt ohne Träger zu tragen. Für diesen lauwarmen Sommerabend war dies genau das richtige Outfit, fand sie. Sie wollte Menschen kennenlernen – unbedingt. Sie frisierte ihr langes blondes Haar, schlüpfte in die Stöckelschuhe und wickelte die Schuhbänder um die Senkel. Sie war bereit zu faszinieren.
Plötzlich, gerade, als sie aufbrechen wollte, kam ihre Wohnungskollegin Juliane aus dem Zimmer und meinte abfällig: „Katja, wenn du so hinuntergehst, werden dich alle Frauen hassen!“
„Das wäre nichts Neues für mich.“, entgegnete Katja bestimmt und verließ die Kleinwohnung. Kaum war sie im Park, war es so, wie es immer war, sie wusste nicht, wie sie Kontakt aufnehmen sollte. 200 junge Leute waren das mindestens, die sich unterhielten, Alkohol tranken, bekleidet in den Pool sprangen, Party machten. Es war laut, sie fühlte sich nicht wohl. Um Abstand und Überblick zu bekommen, drängte sie sich durch die grölende Menge hindurch zum Buffet. Das war das Highlight, viel hatte sie heute noch nicht gegessen, wahrlich sie konnte dabei sein, unter Menschen sein, mit denen sie sich einsam fühlte. Das Essen war ihre Stütze. Katja stand mit dem Rücken zur Menge, als sie auf einmal jemand schubste. „Entschuldige bitte.“, erklang eine sympathische junge Männerstimme. Katja drehte sich um. „Thorsten hat etwas zu viel erwischt und torkelt wie wild herum. Ich wollte dich nicht schubsen.“, entschuldigte sich der junge Mann. „Kein Problem.“, sagte Katja und bemerkte, dass sie sich mit dieser lasziven Verhaltensweise der meisten hier nicht wohl fühlte. „Ich heiße Roman. Wohnst du hier oder kommst du von außen?“, fragte der junge Mann. „Ich bin Katja und ich wohne gleich da oben, gegenüber dem Pavillon.“, antwortete Katja cool.
Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie sich über sein Interesse freute. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt und Katja war begeistert, freudestrahlend. „Vielleicht könnten wir uns ja mal treffen, wenn du möchtest?“, schlug Roman mittendrin vor.
Der Abend war schon zu Ende, aber die Nacht ging für die anderen erst los. Die beiden schlenderten durch den Park und verabredeten sich für den nächsten Tag.
Die kommenden Wochen waren sehr aufregend für Katja, sie kaufte Kleidung en masse, um sich von ihrer Schokoladenseite präsentieren zu können. Ja, sie hatte das Gefühl, sie war verliebt. War Roman derjenige, der ihre Einsamkeit beenden würde? Dabei kannte sie ihn kaum. Sie hatten sich schon mehrmals getroffen, als Katja eines Abends eine SMS von Roman bekam. Darin schrieb er, dass es für ihn nicht das Richtige wäre, sich in sie zu verlieben. Aber dass er etwas für sie empfinden würde. Katja war völlig perplex und innerlich aufgelöst. Sie hatte schon so viele Träume und Wünsche in diese Verbindung investiert. Sie weinte und weinte und weinte. Sie weinte im Supermarkt, in der Straßenbahn, auf der Universität, in der Therapie. Sie weinte vor fremden Leuten auf der Straße ebenso wie vor Studentenkolleginnen. Ständig überwältigten sie ihre Gefühle. Ihre Seele zersprang vor Schmerz, jedoch fühlte sie ihre Intensität so ergreifend.
Daraufhin beschloss sie alle Register zu ziehen und schrieb Roman eine Liebes-SMS. Sie zitierte einen Text aus dem Film „Moulin Rouge “: “Never knew, I could feel like this. It’s like I’ve never seen the sky before. Want to vanish inside your kiss. Everyday I’m loving you more and more. Listen to my heart, can you hear it sing? Come back to me and restart everything!” Im Film hieß es “forgive everything” am Schluss, aber das hätte nicht gepasst. Die Szene sah sie sich auf Video immer wieder an. Sie wartete voller Nervosität und Erwartung auf eine Antwort.
Schließlich piepste ihr Handy, sie hatte eine SMS bekommen. In ihr stand: „Ich liebe dich.“ Sie war von Roman. Katjas Herz hüpfte und sprang, sie war überglücklich, sie hatte alles versucht, sie hatte gekämpft und gewonnen. Die folgende Zeit würde sehr spannend und wunderschön werden. Sie lernten sich noch besser kennen. Eines Tages, in einem Park, an einem sonnigen Tag küssten sie sich zum ersten Mal, das war sehr bewegend und wunderbar. Sie beschlossen in Katjas Studentenzimmer hinaufzugehen, um sich näher zu kommen. Sie küssten sich und tanzten zum Bett hinüber. „Du bist die schönste Frau.“, hauchte Roman Katja ins Ohr.
Schlussendlich erkannte Katja, dass er nicht der Richtige war, weil sie vor seiner Begehrlichkeit Angst hatte, zumal er nicht zärtlich genug war und weil sie seinen Geruch nicht aushielt. Daher hörte sie auf, ihn zu küssen. Sie konnte ihn nicht riechen. Es war für sie nicht das, sie fühlte keine erotische Anziehung zu ihm. Obwohl sie sich so sicher gewesen war und alles in diesen Traum gesteckt hatte, wies sie ihn letztendlich ab. Roman war sehr enttäuscht und meinte: „Ich möchte trotzdem bei dir bleiben, auch wenn du nicht mit mir schlafen willst. Die Liebe, die du gibst – von dieser habe ich immer geträumt. Ich hab‘ noch nie so viel Liebe bekommen.“
Katja dachte darüber nach und es tat ihr weh, doch sie konnte keine Liebesbeziehung mit jemandem führen, der nicht zu ihr passte.
„Wir können gerne Freunde bleiben, aber mehr ist es für mich nicht.“, entgegnete sie. „Es tut mir leid.“
„Du bist etwas ganz Besonderes und ich glaube, dass dein Leben noch sehr viel Besonderes bereithalten wird.“, sagte Roman verträumt. Ja, etwas sehr Besonders war er für sie auch. Katja war gerührt. „Danke.“, flüsterte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Sie blieben Freunde. Er wurde sogar ihr bester Freund. Und sie gaben sich Unterstützung und Liebe. Platonisch.
2 Antworten zu “Der Liebesbeweis – eine Kurzgeschichte”
Liebe Barbara, so schön.
Zwei tolle junge Menschen die nicht an der Oberfläche gekratzt haben,
sondern tief in das Herz gehört und auf die Seelensprache gehört habem.
So schön kann (platonische) Liebe sein.
Katja war damals schon eine kluge Frau, die sich nichts vormachte und der Ehrlichkeit Raum gab.
Ich denke dass aus ihr eine ganz besondere Frau, die immer noch viel Liebe gibt, geben kann und geben will geworden ist.
Danke dir…
Segen und Freude.
M.M.
Hallo liebe Monika Maria, dank dir für deine Einfühlung in diese Geschichte. Manchmal werden aus den schönsten Geschichten reale Begebenheiten und umgekehrt.
Eine wunderbare Zeit mit sinngebenden Tätigkeiten und Hobbys sowie angenehmen Gefühlen, wünsche ich dir.
Verträumte Zaubergrüße,
Barbara