Die Patientin wurde mit 1.2. 2011 aus dem Maßnahmenvollzug entlassen, Probezeit 5 Jahre.
Weisungen:
- Wohnsitznahme in XY (Übergangswohnhaus)
- Wöchentliche psychiatrisch fachärztliche Kontrollen mit Verordnung der Medikation und Blutspiegelkontrollen in XY (Forensische Ambulanz)
- Psychotherapie wöchentlich in XY (Forensische Ambulanz)
Zusammenfassung des Aufenthaltes:
Biographie:
Frau Koller wuchs in Linz bei beiden Elternteilen auf. Sie hat eine jüngere Schwester, 1983 geboren und einen jüngeren Bruder, 1989 geboren.
Zu beiden besteht ein enger Kontakt, die Schwester ist bei der Aufnahme der Frau Koller arbeitslos, der Bruder studiert Jus. Der Vater ist als Richter am XY tätig, die Mutter ist gelernte VS-Lehrerin, hat aber den Beruf schon viele Jahre nicht mehr ausgeübt und führt den Haushalt.
Die Mutter beschrieb Frau Koller als ein „Oma-Mädchen“, sie sei aber ein „schwieriges Kind“ gewesen. In der VS-Zeit sei sie eine gute Schülerin gewesen, habe auch viele Freundinnen gehabt. Sie besuchte anschließend das Gymnasium XY, sei besonders in der Unterstufe eine sehr gute Schülerin gewesen. Es habe keine Klassenwiederholungen gegeben.
In der Oberstufe hätte sie sich in ihren Klassenvorstand verliebt.
Frau Koller sei viel krank gewesen, habe meist über „Bauchschmerzen“ geklagt. Ferienjobs hätte die Tochter in der Schule und auch im Studium nicht gemacht, weil sie nicht belastbar gewesen sei.
Als Barbara Koller 16 Jahre alt war, sei die Mutter für einige Monate mit dem kleinen Bruder ausgezogen, hätte sich auch die Trennung überlegt, sei dann aber wieder zurückgekehrt. Danach hätte Barbara mit ihrer Schwester Maria im oberen Stockwerk gewohnt, die Eltern mit dem Bruder im unteren.
Nach der Matura ging Frau Koller nach Wien und begann ein Psychologiestudium. Zunächst hätte sie dort auch einige Kurse besucht, aber sie habe nichts weitergebracht. Anfangs wohnte sie mit einer Freundin im Studentenwohnheim, später hatte der Vater ihr eine Wohnung gemietet.
Die Eltern hätten eineinhalb Jahre nichts von ihrer Tochter gehört, danach sei sie völlig verändert gewesen, habe gemeint, sie müsse sterben, habe von der Wiedergeburt gesprochen und sich mit dramatischen Schicksalen berühmter Frauen identifiziert.
Sie habe schließlich das Psychologiestudium aufgegeben und sei wieder zu ihren Eltern gezogen. Dort habe sie sich meistens zuhause aufgehalten, manchmal beim Kochen geholfen, sei auch gelegentlich in die Stadt gefahren. Eine Berufsausbildung wurde nie begonnen.
Krankheitsentwicklung:
Der Krankheitsbeginn ist mind. im Jahr 2005-2006 anzunehmen. In der Schule und im Studium hatte sie aber bereits unter ausgeprägten Konzentrationsschwierigkeiten gelitten. Ca. im Jahr 2004 hatte sie mit einer Psychotherapie begonnen, wobei sie meinte, sie sei in die Therapeutin verliebt, so dass diese Therapie nach längerer Zeit wieder beendet wurde.
Die erste medikamentöse Behandlung erhielt sie im 1/2007 bei einer niedergelassenen Fachärztin. Von 2/2007-12/2008 kam es insgesamt zu 9 stationären Aufenthalten in XY. Auch war sie in Wien in XY stationär. Im 2/2007 berichtete sie über einen starken Rückzug, Ängstlichkeit, Konzentrationsstörungen, Depersonalisations- und Verfolgungsideen. Sie meinte, dass sie eine berühmte Frau wie z.B. Marilyn Monroe, Cleopatra, Kaiserin Elisabeth oder die heilige Barbara sei, hörte immer wieder Stimmen und hatte Angst vor dem Bösen, das sie quälen wolle.
Sie erhielt eine antipsychotische Medikation, brach den Aufenthalt nach wenigen Tagen selbstständig ab und setzte die Medikamente auch wieder ab.
Im 3/2007 war sie im XY in Wien stationär. Aufnahmegrund war, dass sie im ersten Bezirk über mehrere Stunden gestanden hatte und in mehrerer Schichten Kleidung, teilweise zerschnitten, gehüllt war. Sie machte kaum sprachliche Äußerungen, gab dann an, dass sie Adolf Hitler heiße und wiedergeboren worden sei. Auch diesen Aufenthalt im XY brach sie selbstständig ab.
Die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie wurde bereits Anfang 2007 gestellt. Die Familienanamnese ist ebenfalls positiv (Bruder der Großmutter mütterlicherseits „geisteskrank“, Großmutter und deren Schwester väterlicherseits „schizophrene Züge“).
Bei den stationären Aufenthalten wurde sie meistens von ihrer Familie zur Aufnahme gebracht, es bestand fast immer ein psychotisches Zustandsbild. Im Vorfeld gab es häufig Auseinandersetzungen mit der Familie. Immer wieder bestanden akustische Halluzinationen, massive Ängste, Gefühle von Gedankenentzug und Gedankenlesen, paranoide Ideen und Größenideen, eine berühmte Persönlichkeit zu sein.
Häufig führten auch Tätlichkeiten zur Aufnahme, so hat sie z.B. eine Blumenvase nach ihrem Vater geworfen. Sie wurde auch gegenüber ihrer Mutter und ihrem Bruder und gegenüber der Polizei tätlich. Nur 1x im 10/2008 kam es zur Aufnahme durch ein depressives Zustandsbild.
Es erfolgte jeweils eine antipsychotische Medikation. Diese musste wiederholt wegen Unverträglichkeiten umgestellt werden. Verordnete Medikamente: Zyprexa, Risperdal (abgesetzt wegen Hyperprolaktinämie), Seroquel (bis 600 mg), teilweise in Kombination mit Serdolect (bis 16 mg), teilweise auch antidepressive Therapie mit Tresleen.
Einweisung in den Maßnahmenvollzug:
Am 14.12 2008 kam es zum Anlassdelikt, bei dem Frau Koller in Anwesenheit der einschreitenden Polizeibeamten ihren Vater durch die Äußerung: „Das ist dein Todesurteil, dass du die Polizei geholt hast, das weißt du!“ gefährlich mit dem Tod bedrohte und ihn in Furcht und Unruhe versetzte.
Weiters versuchte sie die einschreitenden Polizeibeamten mit Gewalt an ihrer Amtshandlung, nämlich an der Sachverhaltsaufnahme und ihrer Festnahme zu hindern, indem sie mit Händen und Füßen auf die Beamten einschlug bzw. trat und mit dem Kochlöffel auf den Kopf einer Beamtin zu schlagen versuchte. Dadurch hatte sie Taten begangen, die ihr, wäre sie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung und des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt zuzurechnen gewesen wären.
Nach vorläufiger Anhaltung wurde sie mit 6.5.2009 in den Maßnahmenvollzug eingewiesen. Zunächst wurde Frau Koller mit 14.12 2008 nach dem Unterbringungsgesetz auf der Abteilung XY angehalten.
Sie gab an, sie habe zuvor einen Streit mit ihren Eltern gehabt, der eskaliert sei. Mit 30.12.2008 wurde sie vorläufig angehalten, sodass sie an die Forensische Abteilung verlegt wurde.
… Fortsetzung folgt …
(„Nightmares from the Mist – Dark Ambient Music”)
So ihr Lieben, danke dass ihr bis hierher gelesen habt. Es ist nicht einfach für mich, diese forensische Stellungnahme zu veröffentlichen, da ich in eine Zeit eintauchen muss, die für mich sehr düster war, ich war in einem permanenten Ausnahmezustand der Angst.
Keine Worte der Welt könnten nur auch nur annähernd meiner Erlebensrealität von damals entsprechen. Immer wenn ich versuchte, es in Worte zu fassen, konnte ich das Grauen und den Horror nicht im Geringsten so wiedergeben wie ich sie damals in der Psychose gespürt habe, das war und ist nicht möglich. Durch Musik kann ein wenig umfassenderer Eindruck entstehen.
Die von euch, die zwischen den Zeilen gelesen haben, haben eventuell ansatzweise gespürt, dass ein forensischer Patient um es untertrieben auszudrücken, nicht unbedingt angesehen war und ist. Sachlichkeit und Faktenerhebung stehen immer noch über Empathie und Respekt. Ich werde an dieser Stelle nicht auf den Wahrheitsgehalt der Schilderungen und Aussagen meiner Mutter oder die des forensischen Personals eingehen. Nur weil etwas in einer Akte dokumentiert ist, ist es noch lange nicht die absolute Wahrheit, es gibt eine Wahrheit dahinter in Form von Ursachen und Auslösern,
Zusammenhängen, Motiven, Hintergründen, leitenden Gefühlen, die hier nicht berücksichtigt wurden. Mehrere Jahre Hospitalisierung zu beschreiben wäre in einem kurzen Arztbrief auch nicht möglich, das würde den Rahmen sprengen. Dennoch glauben manche sicher zu wissen, was passiert ist.
Die Frage: „Bin das wirklich ICH?“, muss ich mit „ja“ und „nein“ beantworten. Zum Teil ist dies ein winziger Auszug meiner Geschichte. Da fällt mir die Aussage der über 80-jährigen Rose im Film „Titanic“ von James Cameron ein, als ihr der Untergang des Schiffs plastisch digital demonstriert wird: „Danke für diese präzise forensische Analyse. Die persönliche Erfahrung war, wie Sie sich vielleicht vorstellen können, ein wenig anders.“
Aber das darf alles so sein. Verschiedene Menschen haben verschiedene Meinungen und Empfindungen. Unsere augenblickliche Zeit bringt die Sichtweisen und Einstellungen, die aus dem forensischen Arztbrief hervorgehen, vielfach mit sich. Mit diesem Beitrag versuche ich dieses schmerzhafte Kapitel der Psychosen in meinem Leben aufzuarbeiten. Vieles konnte ich noch nicht mit euch teilen, weil es so traumatisch ist. Damit in die Tiefe zu gehen, löst große Pein und Versteinerung in mir aus.
Es ist beides da, sowohl die Dankbarkeit für meine Erfahrungen als auch der sehnliche Wunsch, dass sich mit psychischen Besonderheiten und ihren möglichen Folgen ein anderer Umgang entwickelt. Dass diese Menschen ermutigt werden, auf sich selbst zu vertrauen, anstatt gezwungen zu werden, auf andere zu hören. Ich komme mehr und mehr in den Frieden mit meiner Geschichte und auch in den Frieden mit den Menschen, die mich in meinem Leben begleitet haben. Durch schwierige Situationen kann ich wachsen, bin aufgefordert, meine Bedürfnisse zu artikulieren, meine Gefühle zu erkennen, sie anzuerkennen, positive Glaubenssätze zu formulieren, die mich zu einer höheren Aussichtswarte meines Bewusstseins und meiner Heilung bringen. Dieser Vorgang ist in uns allen möglich, bis wir eines Tages wieder erwachen, denn jetzt sind wir alle, oder fast alle nicht in der Realität. Wir laufen Dingen hinterher, identifizieren uns mit Rollen und Krankheiten, die nicht unserem wahren Selbst entsprechen. Doch ebenso das darf und soll sein, unsere Seelen erfüllen sich durch die Erfahrung der Dunkelheit den Herzenswunsch des „spürenden Mensch-Seins“. Bei jedem ist eine andere Rolle gerade an der Reihe und ich will auf keinen Fall irgendjemandem sagen, wie er sein soll.
Ich muss Menschen, die mich herausfordern, nicht als schädigend wahrnehmen. Dies gelingt durch die Haltung der Dankbarkeit und Wertschätzung, durch die Bereitschaft, jeder Situation, wie widrig sie auch erscheinen mag, etwas Positives abzugewinnen, indem ich jene als Lernfeld verstehe.
Ich möchte den forensischen Arztbrief keinesfalls abwerten, ich sehe ihn vielmehr wertfrei. Es geht nicht darum weiter zu sein, es geht darum, unterwegs zu bleiben, in Bewegung zu sein und dabei alle Facetten zu durchleben, es geht um den PROZESS. Ich kann die Welt getrost da sein lassen, wo sie ist und gleichzeitig Sichtweisen mitteilen, die vielleicht etwas verändern. Jedoch muss ich nichts übers Knie brechen, es geht darum all diese Phasen und Rollen zu durchleben und die Erfüllung dieser Sehnsucht, auch wenn sie uns oft gerade nicht bewusst ist, bin ich jedem so vergönnt!!! Eines Tages werden wir alle wieder sehr glücklich sein, die Abneigungen werden dahinschmelzen und wir werden uns untereinander gleich intensiv lieben! Wir sind alle zusammen EIN Stern …
(„Sein“ von Andreas Bourani)
Liebevolle Lichtgrüße mit Segen!
Namaste
Barbara